Das Exklusiv-Interview mit Alfred Pierer
„Im Naherholungsgebiet von Graz und Wien ist letztes Jahr still und leise ein neuer Hideaway entstanden, welcher den heutigen Trend der „Almfrische“ förmlich erfunden zu haben scheint. Während es die Sommerfrischler früher gerne ins Salzkammergut zog, fuhren die „Almfrischler“ immer schon bevorzugt ins nahe und mitten im Naturpark Almenland gelegene Almwellness Hotel Pierer auf der Teichalm. Selbst bereits Hotelgast des Hauses letzten Sommer freut es mich besonders, Alfred Pierer zu einem Exklusiv-Interview zu Urlaub in Österreich in Corona-Zeiten gewonnen zu haben!“ Kommentar von Birgit Pototschnig
Herr Pierer, wo liegen aus Ihrer Sicht die heutigen Chancen respektive Herausforderungen für Urlaub in Österreich speziell für den Sommer 2020? Da viele Menschen ihre Sommerurlaube aufgrund der derzeitigen Situation im Ausland stornieren, avanciert Österreich zum beliebten Haupturlaubsziel. In den vergangenen Jahren war es meist so, dass Reisen im eigenen Land eher als Zweiturlaub beziehungsweise als kurze Auszeit genutzt wurden. Jetzt nehmen sich die Menschen mehr Zeit. Das ist eine große Chance für die österreichische Hotellerie und als Ansporn zu sehen, allen Österreicherinnen und Österreichern zu zeigen, wie schön und urlaubswert ihre Heimat eigentlich ist.
Auf der anderen Seite stehen jene, die ihren Urlaub aufgrund von Corona abbauen mussten oder aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen weniger Urlaubsgeld zur Verfügung haben. Bei vielen werden demnach auch Kurzurlaube boomen: Nach Wochen des Home Schooling, Home Office und der eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten – insbesondere im urbanen Raum – möchten sie Abstand vom Alltag gewinnen und sich eine Auszeit in der Natur nehmen. Doch egal ob Haupturlaub oder Wochenendtrip, in beiden Fällen gilt: es liegt an uns Gastgebern Bewusstseinsbildung für das eigene Land zu betreiben, die Gäste zu begeistern und ihnen ein unvergessliches Urlaubserlebnis zu ermöglichen.
Ihr wunderschönes Hotel liegt inmitten der Natur und entsprach bis noch vor wenigen Wochen absolut dem Gäste- & Reiseverhalten. Nun könnte es dennoch für einige Gäste als „zu groß“ empfunden werden. Wie werden Sie Ihr eigenes touristisches (Produkt-)Angebot anpassen? Als langjährige Gastgeber ist es uns ganz wichtig, stetig zu evaluieren, uns in die Lage unserer Gäste und ihrer Bedürfnisse zu versetzen, unser Angebot zu vertiefen und gegebenenfalls zu adaptieren. Stillstand war für uns noch nie eine Option und so streben wir auch jetzt nach noch mehr Tiefgang, Sensibilität und Gästeorientierung. Die Größe unseres Hotels sehen wir, gerade in der derzeitigen Situation, als absoluten Vorteil: unser Hotel an sich ist nicht groß, sondern sehr weitläufig. Beim Bau sowie den Erweiterungen haben wir stets darauf geachtet, viele individuelle Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen und die Infrastruktur perfekt in die Natur zu integrieren. Von unseren Gartensuiten hat man beispielsweise direkten Zugang ins Freie, der beheizte Naturschwimmteich oder der Infinitypool bieten einen atemberaubenden Blick über die Alm und die vielen Sonnen- und Liegeplätze sind der perfekte Raum für Me-Time. Darüber hinaus liegt unser Haus eingebettet in das wunderschöne Almenland auf über 1.000 Höhenmetern, was viele Möglichkeiten zur Ausbreitung und Erholung bietet. Ein Pluspunkt, der unseren Gästen gerade jetzt stark entgegenkommt.
Zusätzlich arbeiten wir im Hotel daran, dass sich unsere Gäste in ihrem Urlaub auch jetzt rundum wohlfühlen, und den Alltag rund um Home Office, Home Schooling und Corona hinter sich lassen können. Wir servieren das Begrüßungsgetränk bei Schönwetter im Freien im Bar- und Loungebereich, die Gäste können sich anstelle der mittäglichen Almgenusspause eine Wanderjause mitnehmen und so inmitten der Natur picknicken. Wir haben unser Aktivprogramm ausgeweitet und bieten viele Kurse, wie etwa Yoga, im Freien an – ein Erlebnis, das selbst uns den Atem raubt. Damit auch weiterhin der Genuss im Mittelpunkt steht, werden wir die Essenszeiten ausdehnen und entsprechende Maßnahmen beim Frühstück tätigen. Unser Küchenkonzept beruht von jeher auf Nachhaltigkeit, Saisonalität und Regionalität, ein Credo, das uns auch jetzt sehr am Herzen liegt und den Puls der Zeit trifft.
Und wer sich nach Sand sehnt, der wird an unserem Almstrand definitiv seinen Glücksort finden. Einfach die Füße im Wasser baumeln lassen, die Sonnenstrahlen auf der Haut spüren und entdecken, wie schön es in unserer Heimat ist.
Welche Bedeutung bekommt der Gastgeber / die Gastgeberfamilie? Dieser Trend hat sich bereits in den vergangenen Jahren abgezeichnet. Als Ausgleich zur stetig fortschreitenden Technologisierung des Alltags und der digitalen Vernetzung auf diversen sozialen Netzwerken wünschen sich viele gerade in ihrem Urlaub ehrliche, persönliche Kontakte. Als Familienbetrieb ist uns diese Nähe zum Gast sehr wichtig und wir setzen von jeher auf Herzlichkeit, Persönlichkeit und unaufdringlichen Service. Urlaub hat sehr viel mit Wohlbefinden zu tun, und das hängt wiederum unmittelbar mit den Personen zusammen, die einen umgeben. Der Trend Richtung Individualisierung heißt auch, dass man gezielt auf den Gast und seine Bedürfnisse eingeht. Nicht jeder Mensch ist gleich, erwartet oder möchte dasselbe. Als Gastgeber ist es unsere Aufgabe, dies zu erkennen und bestmöglich zu reagieren. Und das kann man nur, wenn man mit den Menschen spricht, ihnen Fragen stellt und zuhört. Sich diese Zeit zu nehmen, ist oftmals eine Herausforderung, aber auch das Schöne an unserem Beruf als Hoteliers. Man lernt so viel über die Gäste, aber auch über sich selbst.
Die Gastgeberrolle wird nach Corona sicherlich noch mehr an Bedeutung gewinnen. Die Menschen sind teils verunsichert, wollen informiert werden oder suchen ganz einfach den Austausch. Und auch hier gilt: offene Kommunikation ist der beste Weg. Ein weiterer Punkt ist die Solidaritätsbewegung, die Österreich seit Anbeginn von Corona prägt. Man unterstützt sich gegenseitig, kauft bei lokalen Produzenten und urlaubt in weiterer Folge in seiner Heimat. Es kehrt ein nachhaltiges, reflektierteres Denken ein, im Zuge dessen vieles hinterfragt wird.
Die Menschen möchten wissen, was in ihren Lebensmitteln steckt, woher diese kommen, wer hinter einer Marke oder einem Hotel steht. Das Menschliche, das Gesicht sowie die Werte hinter einem Produkt oder einer Dienstleistung, stehen gerade in so herausfordernden Zeiten im Vordergrund. Und da kommt der Gastgeber ins Spiel. Er verkörpert das Hotel, vertritt seine Philosophie, kennt die Geschichte und lebt die Visionen. Es ist wichtig, dass er sich öffnet und mit den Gästen spricht. Dass er sie begeistert, ihnen zeigt, wie schön Österreich und wie herzlich die Menschen sind. Als Gastgeber wollen wir, dass unsere Gäste eine unvergessliche Zeit bei uns verbringen und sich von uns rundum verwöhnen lassen.
Wo geht die Reise in der Ferienhotellerie hin? Wie werden sich das Reise- & Gästeverhalten sowie der Tourismus allgemein in den kommenden 3-5 Jahren verändern? Die Tendenzen haben sich auch hier bereits in den vergangenen 2 - 3 Jahren abgezeichnet. Aufgrund des immer schneller werdenden Alltags, der Flut an neuen Technologien und Medien gab es einen generellen Gegentrend hin zu Regionalität, Reduktion auf das Wesentliche und ein neues Bewusstsein. Die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, Ehrlichen und Natürlichen nahm vor allem im urbanen Raum zu. Bewusst offline zu gehen und etwas für sich und seine Gesundheit zu tun, wurde immer mehr zum Credo einer Generation. Luxus ist nicht länger monetär bedingt, sondern hat vielmehr mit Zeit, Freiraum und Selbstfindung zu tun.
Durch Corona wurden diese neuen Trends schlagartig noch präsenter. Wie bereits andere herausfordernde Zeiten zuvor, hat auch diese dazu angeregt, zu evaluieren, bisherige Strukturen zu hinterfragen und die Sinnfrage zu stellen. In der Zeit danach wird es eine stärkere Rückbesinnung auf lokale Strukturen, die Familie und kleine Gemeinschaften geben. Regionale Erzeugnisse, wie etwa das Gemüse vom Bauern nebenan, werden wertvoller denn je. Umweltorientierung und Wir-Kultur werden ebenso zentrale Bedeutung erlangen wie die Gesundheit, die ihren Wert als wichtigstes Gut wieder einmal bewiesen hat.
Genau diese Trends werden sich auch im Tourismus manifestieren. Der Gast wird noch mehr Wert auf körperliches und seelisches Wohlbefinden, Hygiene, Regionalität und Nachhaltigkeit legen. Man möchte gerade in seiner Freizeit mehr Raum für Individualität und ein reiches Angebot für Selfcare. Hier haben wir als Hoteliers die Aufgabe, unser Angebot zu überdenken, noch mehr in die Tiefe zu gehen und der Zeit entsprechend zu reagieren. Auf der anderen Seite hat Reisen natürlich viel mit der Sehnsucht nach dem Neuem zu tun. Neue Länder zu entdecken, Kulturen kennen zu lernen und exotische Speisen zu schmecken. Reisen ist der beste Lehrmeister – auch wir haben sehr viel von unseren Urlauben im Ausland profitiert und möchten diese nicht missen. Ich denke, in 1 - 2 Jahren werden die Leute auch wieder vermehrt Auslandsreisen machen. Sie werden aber auch entdeckt haben, wie wunderschön ihre eigene Heimat ist. Sicherlich einer der positiven Aspekte an Corona.
Wird es neue Urlaubsformen geben? Der Tourismus reagiert, wie die meisten Branchen, auf gesellschaftliche Ereignisse und Trends. Einige davon erleben einen wohl eher kurzfristigen Hype - man denke nur an die Insta-Spots beziehungsweise ganze Hotels, die sich dem Social Media widmen, andere hingegen sind nachhaltig und verändern das Urlaubsverhalten von Grund auf. Corona gehört bestimmt zu letzteren und so werden sich, wie bereits angesprochen, Themen rund um Gesundheit, Nachhaltigkeit und ein stärkeres Bewusstsein für das eigene Wohlbefinden in neuen Urlaubsformen manifestieren. Insbesondere im urbanen Raum hat man in den vergangenen Wochen gesehen, welcher Luxus es ist, in die Natur einzutauchen, frische Waldluft zu atmen, grünes Gras zu spüren und sich einfach frei zu fühlen. Es entstand eine neue Sehnsucht. Eine, die vielleicht schon vor vielen Jahren da war, als die Sommerfrische ihren Höhepunkt erlangte und die sich heute in so genannten Green Stays und nachhaltigem Tourismus äußert.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Sollten wir jetzt Ihre Lust auf Urlaub in Österreich geweckt haben, so finden Sie eine weitere spannende Story zu den Reizen von Urlaub in Österreich in unserem aktuellen Magazin.
Fotos: Almwellneshotel Pierer, Foto Familie Pierer: Harald Eisenberger