Wie der Fluss die Kiesel abschleift, so rundet das Eichenfass Destillate ab. Werden diese Preziosen höhergradig gefüllt, also nicht mit Wasser auf 40 Vol.-% herabgesetzt, dann kann man die Verwandlung vom ursprünglich klaren „Feuerwasser“ zum mahagonibraunen Edelstoff wunderbar nachschmecken. Denn erst das Fass macht den finalen Geschmack aus. Ein Grund dafür, dass selbst der Gesetzgeber auf eine Mindestlagerzeit – drei Jahre – bei Whisky Wert legt. Doch die wahren Geschmacksveränderungen des Single Malts passieren noch später.
Am schönsten lässt sich diese Metamorphose vielleicht am Tequila nachvollziehen, der mit seinen Qualitätsstufen jenseits des klaren „Blanco“ auf ansteigenden Holz-Eintrag setzt. Sich Zeit zu nehmen, diese Unterschiede zwischen Padre Azuls „Reposado“ (maximal 12 Monate im Fass) und dem „Añejo“ (18 Monate) herauszukosten ist ein lohnendes Unterfangen. So findet man an kalten Wintertagen heraus, welchen „Mexikaner“ man am meisten schätzt. Denn die Fasslagerung erfolgt immer additiv durch Aromeneintrag aus dem Holz und subtraktiv durch Verdunstung harschen Alkohols. Wann diese beiden Kurven das persönliche Optimum erreichen, ist ähnlich wie beim Rotwein eine individuelle Frage.
Übernimmt das Holz, dann bleibt wenig vom Basis-Charakter des Destillats erhalten. Doch genau das wollen Österreichs Brenner nicht. Ein Whisky wie der „15 Jahre“ von Reisetbauer & Son zeigt dieses Gleichgewicht von Getreide und Fassnoten perfekt.
Das generationenübergreifende Werk von Hans und Hansi Reisetbauer ist eine der Zeitkapseln, deren Wurzeln weiter zurückreichen, als es die Jahrgangsangabe anzeigt. Eichen werden erst nach Jahrzehnten zu Fassholz verarbeitet, davor ruhen sie noch in geschnittenem Zustand einige Jahre, um die Gerbsäure auszuwaschen. Erst dann werden sie erstmals belegt, also mit Destillat befüllt. Wer eine solche flüssige Zeitreise einfach schnell wegkippt, ist selber schuld!
Eine Genießer-Faustregel lautet, dem Destillat so viele Minuten zu widmen wie er Jahre im Fass verbracht hat. Der aufgeschobene Genuss lässt einen die Facetten eines gereiften Brands erst richtig erfassen. Denn die Aromen erzählen der Nase vom Einfluss des Fasses. Sind es Vanilletöne? Die süßeren Prägungen eines Sherry-Fasses, in dem Peter Affenzeller seinen Single Malt abrundet („finished“, sagen Whisky-Geeks)? Oder die Beerentöne des Bordeaux-Fasses, das die Guglhof-Brenner der Familie Vogl beim „Salin Single Malt Whisky“ verwenden? Das findet man in Ruhe heraus, während sich die Zeitkapsel im wahrsten Sinne des Wortes öffnet. Dann erzählt der Duft auch vom verwendeten Getreide, wenn etwa der Roggen seine würzige Signatur beim 15 Jahre alten „J. Haider“-Whisky aus dem Waldviertel abgibt. Oder der „Woaz“, wie der Südoststeirer David Gölles seine Rohfrucht nennt, auch wenn auf dem Etikett seiner Antwort auf den Bourbon aus Riegersburg das internationale „Corn“ steht. Denn im Gegensatz zu Getreideimporten, die in Schottland vor allem bei Blends die Regel darstellen, verarbeiten die meisten Austro-Brenner auch heimisches Getreide. Lassen wir es uns schmecken!