Einst verschrien als „tote Grenze“ ist das Vulkanland heute ein Vorreiter in Sachen Manufakturen und Erlebniswirtschaft. Mehr und mehr wird es zur Pilgerstätte für jene, die auf der Suche nach Qualität, Authentizität und Tradition mit Zukunft sind.
Wenn eine Geschichte mit: „Es war ja nix da“ beginnt, dann verdrehen Enkel gerne einmal die Augen. Beschreibt man aber das Vulkanland der 80er-Jahre, dann muss man diesen Satz verwenden. „Als ich aufgewachsen bin, war der Eiserne Vorhang noch die Grenze“, erzählt Winzer Christoph Neumeister von dem „toten Eck am A der Welt. Es gab einfach keinen Grund für irgendjemanden, zu uns zu kommen.“ Aber schon damals war die Ambition da, mehr aus der Region zu machen, die man heute klingend als Vulkanland bezeichnet. Schon der Name symbolisiert den Willen „aus der Not eine Tugend zu machen“, wie Neumeister es nennt – denn er bezieht sich auf Reste vulkanischer Aktivität vor Jahrmillionen, die heute noch als Hügel zu sehen sind. „Die einzige Chance war, es zu probieren – und so hat man mit dem begonnen, was vor der Haustüre war, mit kleinen bäuerlichen oder handwerklichen Familienbetrieben.“ Genau diese Geschichte erzählt Alois Gölles, den Neumeister heute als „Vorreiter“ und „Leuchtturm“ sieht: „Mein Vater war Obstbauer. Ich wollte mit dem arbeiten, was wir hatten und habe mit der Veredelung begonnen.“ Heute verkauft Gölles „edle Brände und feinen Essig“ in die ganze Welt, sein Sohn David hat sich unter dem Namen Ruotker’s Gin, Whiskey und Rum verschrieben. In einem revitalisierten, ehemaligen Wirtshaus in Riegersburg folgt auch die zweite Generation Gölles der Familientradition der Schaumanufaktur.
Erlebnis ist die Antwort.
„Vorbild für uns waren die Winzer mit ihren Buschenschanken und Ab-Hof-Verkauf“, erzählt Gölles. Winzer wie Neumeister, der meint: „Nur Wein machen – egal wie gut der ist – reicht nicht, damit sich jemand stundenlang ins Auto setzt. Deshalb haben wir in den 80ern mit der Buschenschank begonnen und versucht, durch Qualität Kunden anzulocken.“ Um ein hohes Niveau zu schaffen, braucht es das Zusammenspiel vieler Faktoren, von denen Geschmack nur einer ist: „Dass Architektur eine große Rolle spielt, ist uns früh aufgefallen, genauso wie Interieur, Glaskultur, Etikettendesign – es muss einfach alles zusammenpassen.“ Die Idee, auch den Betrieb, die Produktion selbst für Besucher zu öffnen, entstammt nicht Marketingdenken, beschreibt Alois Gölles, sondern war einfach die Reaktion auf ein Bedürfnis: „Bei uns konnte man immer verkosten und kaufen. Dann wollten die Leute wissen, wie der Schnaps gemacht wird, wie er gelagert hat. Wir haben zunächst einfach die Tür geöffnet und dann auch bautechnisch nachgezogen.“ Lange, bevor der Begriff der „gläsernen Manufaktur“ auftaucht, setzt Gölles eine Glaswand ein, durch die der Betrieb beobachtet werden kann. Heute gibt es Erlebnistouren, live oder mit Audioguide, Verkostungen – und mittlerweile sogar ein eigenes Genusshotel. „Sehr früh – in den Neunzigern – ist auch der Sepp Zotter in die Region zurückgekommen und hat Top-Schokolade und Top-Erlebnis geboten. Heute ist er natürlich viel größer als wir.“ Ab 2001 stiftet Gölles den Kulinarikpreis „Steirischer Lucullus“, zunächst mit 100.000 Schilling, später mit 7.500 Euro dotiert, um die Region und Kulinarik im Allgemeinen positiv in die Medien zu bringen. Vergeben wird er bis 2007, unter den Preisträgern sind heute bekannte Namen wie Neusetzer Mangalitzaspeck, Deutschmann Bio-Käse oder Vulcano-Schinken. Heute ziehen diese Betriebe selbst wieder Neuansiedlungen an, man versucht, sich zwischen die großen Namen hinein zu setzen. Eine Strategie, die auch Neumeister gutheißt: „Es gibt die Stars und die Geheimtipps. Die Menschen kommen für erstere und stolpern über letztere. Um eine Region weiterzubringen, braucht es beides.“
Gemeinsame Zukunftsvisionen.
Neben individuellen Bemühungen haben Kooperationen, Vereine und gemeinsame Marketingstrategien eine massive Auswirkung auf die regionale Entwicklung. 1999 wird der Verein zur Förderung des Steirischen Vulkanlandes. 31 Gemeinden in den Bezirken Südoststeiermark, Hartberg-Fürstenfeld, Weiz und Leibnitz schließen sich zu der Marke zusammen. Seit 2010 verfolgt man das Konzept „Vision 2025 – menschliche, ökologische und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit“, eine gemeinsame Strategie zur Regionalentwicklung. „Wir sind es gewohnt, gerade in der kleinteiligen Wirtschaft der Region gut zusammenzuarbeiten.“ erklärt Michael Fend, Geschäftsführer des Vereins. „Die Betriebe sind in hohem Maße auf verschiedenen Ebenen miteinander vernetzt, bis hin zum Netzwerk der Vulkanlandbetriebe mit immerhin über 600 Betrieben.“ Das Herzstück sind die Manufakturen, das sei ganz klar: „Touristisch sind die Erlebnismanufakturen DAS zentrale Element, das die Region Vulkanland von anderen unterscheidet. Wir sind die Region mit der wahrscheinlich höchsten Dichte an Erlebnismanufakturen.“ Um diese noch stärker zu verknüpfen wird nun – mit Mitte Juni – die Bundesstraße B66 als „Straße der Lebenslust – Route 66“ neu interpretiert. Die Kombination von gezieltem, gemeinsamen Marketing, Qualitätsbewusstsein und „spannenden Typen“ und „erdigen Menschen“, wie es Bettina Thaller vom Verein Eruptionswinzer nennt, macht die Region so speziell: „Man hat das Gefühl, hier ist der Mensch mit der Natur im Einklang und lässt andere daran teilhaben. Man nutzt die Stärken an sich selbst und die Schätze, die vorherrschen, um sich dann auf den Weg zu machen, das Beste daraus zu kreieren.“ Und die Ziele sind hoch gesteckt, erklärt Robert Hopfer, Marketingleiter beim Tourismusportal Thermen- & Vulkanland Steiermark: „Die hohe Dichte an Erlebnismanufakturen, authentischen Familienbetrieben und klar nachvollziehbarer Herkunft vom Acker auf den Teller sind ideale Voraussetzungen für den Weg zu einer der stärksten Kulinarik-Destinationen Europas.“