Wo Klang auf Kulisse trifft
Neben den Salzburger Festspielen findet diesen Sommer ebenso das beliebte Grafenegg Festival im berühmten Wolkenturm statt. Wir trafen im Vorfeld Paul Gessl, Geschäftsführer der NÖ Kulturwirtschaft, sowie Rudolf Buchbinder, Künstlerischer Leiter des Grafenegg Musikfestivals, zum Doppel-Interview und erhielten spannende Einblicke in das neu aufgestellte Programm, welches im Beethoven-Jahr auch diesem Komponisten die eine oder andere Ehre erweisen wird.
„Seit 2007 ist Schloss Grafenegg nicht nur beim Sommerfestival ein wesentlicher Musik- & Kulturstandort weit über die niederösterreichischen Grenzen hinaus. Wie bedeutsam ist es für Sie persönlich, dass dieses Festival – wenn auch in kleinerem Rahmen – während dieser Corona-Pandemie stattfinden kann?“
Rudolf Buchbinder: „Uns war von Anfang an klar, dass wir hier in Grafenegg einmalige Bedingungen vorfinden: 32 Hektar Park, eine Open Air-Bühne, die genügend Abstand zwischen Bühne und Publikumsbereich bietet und dem Publikum einen sicheren Zustrom. So konnten wir schon frühzeitig entscheiden, dass das Grafenegg Festival stattfinden wird.“
Paul Gessl: „Zu unseren Stärken zählt aber nicht nur das Areal an sich, sondern auch die finanzielle und strukturelle Sicherheit, die uns das Land, die Sponsoren und die Einbettung Grafeneggs in die NÖ Kulturwirtschaft bietet. Das gibt uns Sicherheit, aber auch die Verantwortung, dass wir alles daran setzen müssen, Kultur zu ermöglichen.“
„Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht gerade in schwierigen Zeiten wie diesen Kunst, Kultur und Musik als positive Botschafter für die Gesellschaft?“
Rudolf Buchbinder: „Kunst und Kultur sind Zeugnis des Menschseins und unmittelbarer Ausdruck einer Gesellschaft. Der Wert von Kunst und Kultur liegt nicht darin, uns positiv zu stimmen oder abzulenken, der Wert – und der ist in schwierigen Zeiten umso bedeutender – liegt in der Kraft von Kunst und Kultur uns mit uns, unseren Werten und unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Fragen zu stellen, ja, uns selbst in Frage zu stellen!“
„Unter welchen Voraussetzungen darf das Grafenegg Festival 2020 in diesem Sommer stattfinden?“
Paul Gessl: „Das Team um Philipp Stein, Gesch.ftsführer von Grafenegg, hat großartige Arbeit geleistet. Das Festival wird sich enorm davon unterscheiden, wie wir Grafenegg kennen: Keine Empfänge, keine Pausen, nur die Hälfte des Publikums. Es wurde ein ausgesprochen strenges Sicherheitskonzept ausgearbeitet, das einen Besuch in Grafenegg sowohl für das Publikum, als auch die Künstler sicher macht. Und Rudolf Buchbinder hat in nur 2 Wochen ein erstklassiges, neues Programm auf die Beine gestellt!“
„Was dürfen sich die BesucherInnen in heurigen Jahr musikalisch wie kulinarisch erwarten?“
Rudolf Buchbinder: „Grafenegg ist ein Orchesterfestival, das Konzerte internationaler Orchester in den Mittelpunkt stellt. Nachdem klar wurde, dass unsere amerikanischen oder asiatischen Orchester nicht anreisen werden können, haben wir uns auf die vier großen österreichischen Orchester gestützt: Die Wiener Philharmoniker, die Wiener Symphoniker, das ORF Radio-Symphonieorchester und natürlich das Tonkünstler-Orchester. Wie glücklich wir sein können, dass wir vier so ausgezeichnete Klangkörper in unmittelbarer Nähe finden! Dazu konnten wir Dirigenten wie Gustavo Dudamel, Franz Welser-Möst oder Manfred Honeck verpflichten. Und natürlich freuen wir uns auf Solisten wie Anna Netrebko, Jonas Kaufmann oder Camilla Nylund. Es ist ein wirklich großartiges Programm!“
Paul Gessl: „Um weitere Plätze zu schaffen, übertragen wir das Konzert live auf eine Videowall in den Schlosspark. Hier können bis zu 500 Besucherinnen und Besucher ein so genanntes Musik-Picknick von Toni Mörwald genießen. Und dabei darf natürlich das Glaserl Wein nicht fehlen!“
„2020 stand seit Anbeginn des Jahres schon beim Neujahrskonzert ganz unter dem Motto von „250 Jahre Beethoven“. In Wien mußten leider viele der geplanten Konzerte und Veranstaltungen abgesagt werden. So wie leider auch Fidelio in Grafenegg. Welche Programmschwerpunkte sind beim Grafenegg Festival zu Ehren dieses großen Komponisten dennoch geplant?“
Rudolf Buchbinder: „Auch wenn wir unser Programm komplett umstellen mussten, haben wir natürlich versucht, Ludwig van Beethoven einen besonderen Platz zukommen zu lassen. Umso mehr freut es mich beispielsweise, dass wir gleich bei der Festival-Eröffnung auf die Uraufführung von Konstantía Gourzís Trompetenkonzert ‚Ypsilon‘ Beethovens Tripelkonzert folgen lassen. Und die drei abschließenden Konzerte mit den Wiener Philharmonikern widmen sich ausschließlich seinem Werk.“
„Herr Buchbinder, Sie haben sich ein Leben lang mit Beethoven auseinandergesetzt und ihn auf so wundervolle Weise interpretiert. Dennoch – so meinten Sie einmal in einem Interview – lernen Sie nie aus. Was verbindet Sie persönlich mit der Musik und dem musikalischen Erbe Beethovens?“
Rudolf Buchbinder: „Sein Werk stellt definitiv das Zentrum meines musikalischen Denkens und Seins dar. Seitdem ich Klavier spiele, versuche ich, ihm durch seine Musik näher zu kommen. Aber: es ist ein tiefes, ein verzweigtes Rätsel, das nie langweilig werden kann!“
Herzlichen Dank für die Gespräche!
Foto: Andreas Hofer